Ich habe diese ausgezeichnete E-Mail von B. aus Kalifornien erhalten:
Ich finde es interessant, dass so viele Kirchen oder Konfessionen die vielen Hinweise auf Belohnungen in der Bibel nicht sehen. Infolgedessen beeinflusst dies manchmal ihre Auslegung der ein oder anderen Schriftstelle.
Meine ersten Gedanken gehen in diese Richtung:
- Die Schreiber des Neuen Testaments verstanden die Unterschiede zwischen Fragen der Erlösung und Fragen der Glaubensgemeinschaft.
- Im Laufe der nächsten hundert Jahre wurde die Heilsbotschaft von verschiedenen Irrlehren verdrängt.
- Die katholische Kirche konzentrierte den Blick der Gemeinde Christi auf politische Fragen.
- Die Reformation lenkte die Aufmerksamkeit auf das Heil zurück und die mit dem Heil verbundenen Fragen der Gottesherrschaft.
Gott hat die Botschaft der freien Gnade in den letzten Jahren benutzt, um die Unterscheidung zwischen Errettung und Belohnung herauszustellen.
Ich lese Ihre Blog-Botschaften sehr gerne. Sie helfen mir, die lehrmäßigen Botschaften, die wir um uns herum hören, mit einer klareren Botschaft des Evangeliums und der Jüngerschaft zu vergleichen.
Der Fragesteller hat das Thema gut erfasst. Ich stimme definitiv zu, dass die Autoren, die auf die Apostel folgten (die so genannten „apostolischen Väter“), die Unterscheidungsfähigkeit zwischen dem Heil als freiem Geschenk und einer verdienten Belohnung [für die Besitzer des ewigen Lebens] verloren haben. Für sie wurde das Heil durch geleistete Taten verdient – und [auch so] erhalten. Siehe das Buch von Thomas F. Torrance, „The Doctrine of Grace in the Apostolic Fathers“.
Während Calvin und Luther den Unterschied zwischen Erlösung und Belohnung verstanden hatten, gaben die meisten ihrer Anhänger die Idee der ewigen Belohnung schnell auf. Mit dem Verlust [dieser Unterscheidungsfähigkeit] ging auch die Klarheit darüber verloren, was man tun muss, um ewiges Leben zu erlangen.
Im 18. Jahrhundert gab es in reformierten Kreisen in Schottland eine Kontroverse, die so genannte „Marrow Controversy“ (Markkontroverse). Sie stützte sich auf ein früheres Buch mit dem Titel „The Marrow of Modern Divinity“ („Das Mark der modernen Göttlichkeit“). Dieses Buch befürwortete ein Verständnis der freien Gnade-Theologie in Bezug auf die Unterscheidung zwischen ewiger Errettung und ewiger Belohnung.
Vor dem zwanzigsten Jahrhundert sprachen viele über diese wichtige Unterscheidung, darunter Robert Sandeman, John Glass, John Nelson Darby, C. H. MacIntosh und eine Reihe von Schriftstellern der Plymouth Brethren (Brüdergemeinden).
Ich denke, Sie sind zu gnädig, wenn Sie sagen, dass die Nichtanerkennung dieser Unterscheidung „manchmal ihre Auslegung einer Schriftstelle beeinflusst“.
Wenn sie diese Unterscheidung nicht treffev, wird sich ihre Auslegung der Heiligen Schrift sehr verschlechtern. Nicht nur an einer Stelle hier oder dort. Ganze Bücher werden missverstanden. Lesen Sie„Die biblische Unterscheidung zwischen ‚ewiger Errettung‘ und ‚ewiger Belohnung‘: Ein Schlüssel zur korrekten Exegese“, ein Artikel, der die Bedeutung dieser Unterscheidung diskutiert.
Nehmen Sie den Jakobusbrief als Beispiel. Er betont besonders den Richterstuhl Christi und die ewigen Belohnungen (z. B. Jak 2,13; 3,1; 5,9). Doch die meisten denken heute, dass Jakobus den falschen Bekennern [des Glaubens an Christus] mit ewiger Verdammnis droht. „Arbeitet härter, sonst landet ihr im Feuersee“ – So denken viele über den Inhalt des Jakobusbriefs.
Der erste Johannesbrief ist eine weitere Illustration [eines Missverständnisses bei der Auslegung]. Johannes ist besorgt darüber, dass es den Gläubigen an Zuversicht [mangeln könnte] und sie vor dem Herrn Jesus in Scham zurückschrecken [könnten, aufgrund ihrer Taten], wenn Er wiederkommt (1 Joh 2,28). Das ist das Thema des gesamten Briefes. Siehe auch 1 Joh 4,17-19, wo Johannes sich auf den „Tag des Gerichts“ für den Gläubigen bezieht. Leider übersehen das die meisten und denken, dass Johannes eine Reihe von Tests vorgibt, die einem Menschen helfen sollten, die eigenen Werke zu betrachten und zu entscheiden, ob er eher oder weniger wahrscheinlich zu denen gehört, die es tatsächlich ins Christi Reich schaffen werden.
Der Hebräerbrief ist ein Aufruf an wiedergeborene Juden, Christi Partner (metochoi) im kommenden Leben zu werden (Hebr 1,9.14; 3,14). Die meisten denken jedoch, dass der Autor unreife Christen davor warnt, ihre Werke könnten nicht gut genug sein, um sie in das Reich Gottes zu bringen.
Es gibt kaum ein Buch in der Bibel, das nicht missverstanden wird, wenn diese Unterscheidung [zwischen ewiger Erlösung und ewiger Belohnung] nicht begriffen wird.
Ich erinnere mich, als ich auf der DTS1 war, stieß ich auf ein Buch von Sale-Harrison aus dem Jahr 1938 mit dem Titel „The Judgment Seat of Christ: A Truth That Every Christian Should Know“ [„Der Richterstuhl Christi: Eine Wahrheit, die jeder Christ kennen sollte“]. Ich fing gerade an, die Wahrheit über die Belohnung zu lernen, und ich fand, dass dieses Buch absolut richtig war.
Mein christliches Leben wurde viel erfüllter und aufregender, als ich die ewige Belohnung zu schätzen lernte. Ich weiß, dass das auch bei Ihnen der Fall ist.
Lesen Sie den Artikel „Wir glauben an Belohnungen“ von Zane Hodges, in dem er die Bedeutung des Glaubens an ewige Belohnungen hervorhebt.
Es ist natürlich möglich, dass man weiß, dass das ewige Leben ein freies Geschenk ist und dass der Glaube an Christus die einzige Bedingung für das ewige Leben ist, und sich dennoch nicht über die ewige Belohnung im Klaren ist. So war es bei mir in den ersten sechs Jahren meines christlichen Lebens. Erst in meinem zweiten Jahr in der theologischen Ausbildungsstätte wurde mir der Sinn der ewigen Belohnung klar. Davor hatte ich keine gute Erklärung für viele Texte. Nachdem ich von der Unterscheidung erfahren hatte, wurde die Bibel für mich lebendig. Viele Passagen, die mich früher verwirrt hatten, ergaben jetzt einen Sinn.
Im Lichte von 1 Kor 9,27 und 2 Kor 5,11 scheint es so, dass wir nicht nur das freie Geschenk des ewigen Lebens verkünden sollen. Wir sollen auch freudig die Botschaft verkünden, dass alle Gläubigen vor dem Richterstuhl erscheinen und für ihre Taten im Leib Christi (in der Gemeinde), seien sie gut oder schlecht, belohnt oder nicht belohnt werden. Wir sollten die Ungläubigen auffordern, an Christus zu glauben, um ewiges Leben zu erlangen, und die Gläubigen dazu, von ganzem Herzen für Christus zu leben, um ewige Belohnung zu erhalten.
Machen Sie diese Unterscheidung immer wieder deutlich. Das ist entscheidend, um das zu haben, was Paulus „die Gesinnung Christi“ nennt (1 Kor 2,16).
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1 Dallas Theological Seminary