Hal und Wanda stellen diese provokante Frage:
Ich denke, dies ist eher eine philosophische als eine theologische Frage. Warum vermuten Sie, wollen es Menschen sich so schwer machen, gerettet zu werden? Man sollte doch meinen, dass sie den Glauben allein als die rettende Botschaft begierig annehmen würden. Ich denke, der Geist der Pharisäer ist lebendig und hat in vielen Kirchen das Sagen!
Ich war einer dieser modernen Pharisäer, als ich im Sommer vor meinem Abschlussjahr am College mit der Verheißung des Lebens konfrontiert wurde. Ich war Mitglied eines religiösen Vereins für Jungen, der die extreme Herrschaftserrettung1 (Lordship Salvation) lehrte. Mein bester Freund aus dem Verein war durch den Dienst von „Campus Crusade for Christ“ (CCC) zum Glauben an Christus und damit zum Erhalt des ewigen Lebens gekommen. Er forderte mich auf, zu einem Crusade-Treffen zu kommen.
Ich hatte Angst, dorthin zu gehen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass sie versuchen würden, mich zu täuschen. Aber ich wusste auch, dass es sich um meinen besten Freund handelte, und dass ich zumindest darüber beten sollte. Ich habe gebetet und bin hingegangen.
Ich kann Ihnen sagen, dass es mir ziemlich schwer fiel, die Botschaft „nur durch Glauben“ anzunehmen.
Nach diesem Treffen vereinbarte ich einen Termin für eine Aussprache mit Warren, einem CCC-Mitarbeiter. Auch dieser Schritt fiel mir schwer. Es war ein weiteres Hindernis. Aber mir fehlte die Gewissheit [meiner Errettung] und ich wollte sie haben. Warren schlug seine Bibel auf und zeigte mir Eph 2,8-92. Es schien zu einfach: gerettet aus Gnade und unabhängig von Werken.
Ich brauchte fünf verschiedene Treffen mit Warren, bevor ich überzeugt war. Er muss Eph 2,8-9 in diesen fünf Treffen fünfzig Mal zitiert haben. Endlich glaubte ich an die Verheißung des Lebens. Ich wusste, dass ich ein für alle Mal gerettet war.
Meine persönliche Antwort ist also ein Wort: Tradition.
Die Tradition, in der ich 14 Jahre lang gelebt hatte, stand im Gegensatz zu der Botschaft des alleinigen Glaubens. Warren hat mich im Wesentlichen deprogrammiert. Alle Ungläubigen müssen deprogrammiert werden!
Denken Sie an all die Traditionen, die die Botschaft des alleinigen Glaubens ablehnen. Ich erhielt heute eine E-Mail von einem Freund namens William, in der er 19 verschiedene Denominationen oder Gruppen auflistete, die die Glauben-Allein-Position ablehnen. Er zählte die römischen Katholiken, die östlichen Orthodoxen, die Gemeinde Christi (Church of Christ), die Pfingstler, die Charismatiker, die Sekten und auch andere Konfessionen auf.
Traditionen stehen dem Glauben, dass wir durch Christus allein das ewige Leben erhalten, oft im Wege. Nicht nur der römische Katholizismus, sondern die meisten christlichen Traditionen warnen ihre Anhänger davor, die vermeintlich ketzerische Botschaft des leichten Glaubens (Eng.: easy believism3) oder der billigen Gnade anzunehmen.
Stellen wir uns eine andere christliche Welt vor. Stellen Sie sich vor, 100 % der Menschen im Christentum glaubten an Jesus und hätten ewiges Leben, das nie verloren gehen kann. Dann würden wir uns fragen, warum die Buddhisten, Hindus, Muslime und orthodoxen Juden die Verheißung des Lebens ablehnen. Aber die Realität ist, dass die meisten Menschen innerhalb der Christenheit nicht nur die Botschaft des alleinigen Glaubens ablehnen, sondern es als ihre Pflicht ansehen, dagegen zu kämpfen.
Was ist mit Menschen, die aus einem atheistischen oder agnostischen Elternhaus kommen und glauben, was ihnen beigebracht wurde? Nun, sie glauben nicht an Gott, die Bibel, das Leben nach dem Tod, die Dreifaltigkeit oder das ewige Leben. Sie glauben offensichtlich nicht an die Verheißung des Lebens. Ihre Tradition macht sie besonders feindselig gegenüber der Verheißung des Lebens.
Ihre gesamte Weltanschauung ist nicht nur gegen die Verheißung des Lebens, sondern auch gegen den gesamten christlichen Glauben gerichtet.
Ich verstehe jedoch, worauf Hal und Wanda hinauswollen. Warum sollte jemand, der bei klarem Verstand ist, von vornherein ablehnen, dass man die Ewigkeit mit dem Herrn in seinem Reich verbringen wird, wenn man nur an Jesus glaubt? Sollten die Menschen nicht zumindest von dieser Botschaft angezogen werden? Ja. Das sollten sie. Aber Tradition ist eine mächtige Sache. Die Menschen lernen, die Bibel und die Bedingung für das ewige Leben auf eine bestimmte Weise zu sehen. Und dieser Weg macht für sie Sinn. Es erscheint ihnen gerecht, dass schlechte Menschen in die Hölle und gute Menschen in das Reich Gottes kommen.
Im Gegensatz dazu bedeutet die Botschaft vom alleinigen Glauben, dass schlechte Menschen in den Himmel kommen können, wenn sie sterben. Gott sei Dank ist das so, denn „alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23).
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1Dies wird manchmal auch als „Errettung durch die Unterordnung gegenüber Christus als Herrn“ bezeichnet bzw. „Herrschaftserrettung“ [aus dem Englischen „Lordship Salvation“]. Es ist die Ansicht, dass man nicht nur an Christus glauben muss, um das ewige Leben zu erlangen, sondern dass man sich auch seiner Herrschaft über sein Leben beugen muss. Die Heilslehre der Herrschaft bezieht sich in der Regel auf Calvinisten (nicht alle), die von der Erlösung durch Glauben, der sichtbar wirkt [Anm. der Übersetzer: für andere durch Werke eindeutig erkennbar ist], überzeugt sind, gilt aber ebenso für Arminianer, die an der Lehre der Erlösung durch Glauben und Werke festhalten.
2Epheser 2,8-9: 8 Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch — Gottes Gabe ist es; 9 nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.
3Easy believism oder leichter Glaube ist ein etwas abfälliger Begriff, der von Gegnern der Ansicht verwendet wird, man müsse nur an Jesus glauben, um erlöst zu werden. Daraus schließen sie, dass diejenigen, die an sola fide („Glaube allein“) festhalten, lehren, dass kein entsprechendes Bedürfnis nach einem engagierten Leben in christlicher Nachfolge als Beweis der Erlösung besteht; das ist jedoch nicht das, was sola fide [innerhalb von Free Grace Theologie] bedeutet.
(Quelle: https://www.gotquestions.org/Deutsch/Leichtglaubigkeit.html , Zugriff am 16. Dez. 2021; Der Anfang der dort angegeben Definition, hier übernommen, ist für die Position von Free Grace zutreffend, weitere Diskussionen darin nicht unbedingt. Siehe auch andere übersetzte Artikel „Der rettende Glaube im Brennpunkt“ und „Was ist die Theologie der freien Gnade?“.)