Ein Freund schickte mir ein Exemplar einer Broschüre von Fred Chay aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „The Glorious Grace of God: Understanding Free Grace Theology“(„Die wunderbare Gnade Gottes: Die Theologie der freien Gnade verstehen“) Ich stimmte mit vielem, was er schrieb, überein. Aber ich fand auch einige Punkte, mit denen ich nicht einverstanden war. Ich glaube, dass eine Diskussion über seine Broschüre dazu beitragen könnte, die Bereiche zu klären, in denen eine Übereinstimmung in der aktuellen Theologie der freien Gnade herrscht, und wo zur Zeit eine Auseinandersetzung stattfindet.
Ich weiß, dass das Jahr 2009 nun 13 Jahre her ist. Der Grund, warum ich diese Themen als aktuelle Themen der Freien Gnade bezeichne, ist nicht, dass sie in einer Broschüre von 2009 standen. Der Grund ist, dass ich heute immer wieder von diesen neun Themen höre und lese. Chay hat gute Arbeit geleistet und Themen besprochen, die nicht nur damals wichtig waren, sondern auch heute. In gewissem Sinne sind diese Themen zeitlos.
Sechs Bereiche der Übereinstimmung
Ewiges Leben/ ewige Errettung ist ein Geschenk. Paulus spricht in seinen Briefen neunmal von der Errettung als freiem Geschenk (S. 6-7). Jakobus tat dies ebenfalls. In Jak 1,17-18. Joh 4,10 und Offb 21,6 und 22,17 betonen alle das ewige Leben als Geschenk Gottes (S. 4-6). Obwohl alle Evangelikalen formal zustimmen würden, würden sie nicht so weit gehen zu sagen: „Es gibt keine Kosten, die man zahlen muss, und es gibt keine Werke, die man tun muss“ (S. 10). Das ist eine eindeutige Aussage der Theologie der freien Gnade.
Glaube ist einfach die Überzeugung, dass die Heilsbotschaft wahr ist. Chay schreibt: „Die Auffassung der Freien Gnade vom einfachen Glauben an Jesus ist: überzeugt oder überredet zu sein von einer rettenden Aussage über Jesus Christus (z.B. Joh 1,12; 5,24; 6,47).“ Auch wenn nicht alle, die sich als Anhänger der Freien Gnade bezeichnen, mit Chay übereinstimmen, stimme ich ihm in diesem wichtigen Punkt voll und ganz zu.
Ablehnung der Aussage, dass wir allein durch den Glauben gerettet werden, aber der Glaube, der rettet, ist nie allein. Chay weist darauf hin, dass dieser Spruch zwar gut klingt, aber „wie kann man dann durch den Glauben allein gerettet werden, wenn der Glaube per Definition nie allein ist?“ (S. 16). Ein guter Punkt.
Johannes 6,47 ist eine Botschaft, die ausreicht, um zu retten. Chay schreibt: „Wenn Jesus in Johannes 6,47 sagt: ‚Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben‘, dann bedeutet das Wort ‚glauben‘ – überzeugt und sicher zu sein, dass das, was Er sagt, wahr ist“ (S. 21). Während einige, die sich selbst als Freie Gnade-Anhänger bezeichnen, sagen würden, dass Glaube mehr ist als überzeugt zu sein, und dass Joh 6,47 zu wenig Informationen enthält [bezüglich der rettenden Botschaft], stimme ich Chay zu.
Scheitern, sogar großes Scheitern, ist im christlichen Leben möglich. „Freie Gnade lehrt, dass echte Christen abfallen, in schwere Sünde abgleiten und völlig versagen können. (Denken Sie an die vielen Warnungen an die Christen im Neuen Testament.) Möglicherweise können Christen am Ende den Herrn sogar verleugnen, wenn sie weiterhin die Wahrheit verleugnen und sich gegen das Wirken des Geistes Gottes in ihrem Leben verhärten“ (Chay, S. 24-25). Obwohl ich das Wort „möglicherweise“ weglassen würde, da es Zweifel daran aufkommen lässt, ob einige Gläubige den Herrn tatsächlich verleugnen, stimme ich mit dieser Aussage überein.
Ausharren ist eine Frage der Belohnung, nicht der Errettung. Chay weist darauf hin, dass „die Theologie der freien Gnade die Bedeutung des Ausharrens im Tun guter Werke für die Anerkennung und Belohnung durch den Herrn betont“ (S. 28). Das ist so wahr. Chay hat auch Recht, wenn er darauf hinweist, dass die Heilslehre der Herrschaftserrettung1 nicht an ewige Belohnungen glaubt (S. 28-29).
Drei Bereiche einer Auseinandersetzung
Heilsgewissheit ist im Augenblick des Glaubens möglich. Chay sagt: „Wenn man glaubt, kann man wissen, dass man das ewige Leben als gegenwärtigen Besitz hat“ (S. 11, Hervorhebung hinzugefügt). Beachten Sie das Wort kann, das darauf hindeutet, dass Heilsgewissheit im Moment des Glaubens möglich, aber nicht sicher ist. Chay verwendet „kann“ noch zwei weitere Male in dieser kurzen Broschüre, um die Möglichkeit der Heilsgewissheit zu betonen (S. 14, 23). Die Bibel hingegen lehrt, dass man, wenn man glaubt, davon überzeugt ist, dass man hat, was der Herr Jesus verspricht – nämlich ewiges Leben, das nicht verloren werden kann. Es ist unmöglich, an einen Vers wie Johannes 6,47 zu glauben und sich dennoch seines eigenen ewigen Schicksals nicht sicher zu sein.
Die rettende Aussage ist, dass „Jesus, der Sohn Gottes, für Ihre Sünde gestorben ist, vom Grab auferstanden ist, um die Macht der Sünde und des Todes zu besiegen, und Ihnen das ewige Leben als Geschenk geben kann“ (S. 14). Chay erklärt nicht, was es bedeutet, zu glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist oder dass „Er für Ihre Sünde gestorben ist“ (S. 14). Er erklärt jedoch, dass man glauben muss, dass Er „von den Toten auferstanden ist, um die Macht der Sünde und des Todes zu besiegen“ (S. 14, Hervorhebung hinzugefügt). Er scheint zu meinen, dass man, um gerettet zu werden, davon überzeugt sein muss, dass diejenigen, die an Christus glauben, nicht länger Sklaven der Sünde sind. Der letzte Teil des Heilsversprechens besteht seiner Meinung nach darin, dass Jesus „Ihnen das ewige Leben umsonst, als Geschenk, geben kann“ (S. 14). Es ist nicht klar, wie Chay diese Aussagen über den Inhalt des rettenden Glaubens mit dem in Einklang bringt, was er über Joh 6,47 geschrieben hat, das die meisten der Informationen, die seiner Meinung nach für die Wiedergeburt notwendig sind, nicht enthält. Ich würde nahelegen, dass seine Aussage einen zentralen Punkt aus Joh 6,47 auslässt – die Notwendigkeit, an Jesus zu glauben, um zu bekommen, was Er verspricht, nämlich ewiges Leben, das nicht verloren gehen kann. Die Frage ist nicht, ob Jesus in der Lage ist, dem Gläubigen das ewige Leben als Geschenk zu geben. Es geht darum, ob Er das auch tut oder nicht. Außerdem gibt es nur sehr wenig, wenn überhaupt, biblische Unterstützung für die Idee, dass man, um wiedergeboren zu werden, glauben muss, dass der Gläubige nicht länger ein Sklave der Sünde ist.
Die Herrschaftserrettung ist eine rettende Botschaft, auch wenn sie die Jüngerschaft behindert. Nach einer Erörterung der Lehre von der Herrschaftserrettung (Lordship Salvation) schreibt Chay: „Manche Menschen verbringen ihr ganzes Leben damit, sich auf die falschen Dinge zu konzentrieren. Das Ergebnis ist, dass der Herr Jesus am Ende ihres Lebens sagen kann, dass ihre Werke alle verbrannt sind und ihr Leben für Jesus wertlos war. Aber ungeachtet des Lebens, das sie auf der Erde gelebt haben, sind sie (ihre Seelen) gerettet „wie durchs Feuer hindurch“ (1. Kor 3)“ (S. 17). Zuvor hatte er über den Mann, der den Ausdruck „billige Gnade“ geprägt hat, Dietrich Bonhoeffer, ein entschiedener Befürworter der Herrschaftserrettung, gesagt: „Sein Leben, das tragisch, aber triumphal in einem Konzentrationslager der Nazis endete, war ein Zeugnis für ein geweihtes Leben“ (S. 3, Hervorhebung hinzugefügt). Dies ist ein weiterer bedeutender Unterschied unter denen, die die Position der freien Gnade [für sich] behaupten. Einige sagen, dass die Herrschaftserrettung [zwar] falsch ist, aber dennoch eine rettende Botschaft darstellt. Andere, wie Zane Hodges und GES, sagen, dass die Herrschaftserrettung ein falsches Evangelium ist und keine rettende Botschaft darstellt. Während viele Anhänger der Herrschaftserrettung einst von der Verheißung des ewigen Lebens für alle, die einfach nur glauben, überzeugt waren – und daher immer noch gerettet sind – ist die Botschaft der Herrschaftserrettung eine giftige Botschaft. Traurigerweise haben viele, die an der Erlösung durch Herrschaft [von Jesus in ihrem Leben] festhalten, nie an das freie Geschenk des ewigen Lebens geglaubt und sind daher noch nicht wiedergeboren.
Schlussfolgerung
Ich habe die „Grace Evangelical Society“ (Evangelische Gesellschaft der Gnade) 1986 gegründet. Anfangs waren wir uns einig über das freie Geschenk des ewigen Lebens, über die Tatsache, dass Ausharren nicht garantiert oder (zur Errettung) erforderlich ist, dass ewige Belohnungen etwas anderes sind als ewiges Leben und dass die Botschaft der Herrschaftserrettung falsch ist.
Von 1990 bis 2010 wurde mir jedoch klar, dass es in Kreisen der Freien Gnade erhebliche Differenzen darüber gibt, was genau die rettende Botschaft ist, ob die Heilsgewissheit zum Wesen des rettenden Glaubens gehört und ob die Herrschaftserrettung eine rettende Botschaft ist. Diese Differenzen führten dazu, dass Menschen die GES verließen und andere Dienste gründeten, die mit ihren Ansichten übereinstimmten.
In den letzten zwölf Jahren sind die Differenzen zwischen Menschen, die sich als Befürworter der Freien Gnade bezeichnen, noch deutlicher geworden.
Ich bin dankbar für die Bereiche, in denen wir übereinstimmen. Sie sind ermutigend. Aber ich bin sehr besorgt über die Bereiche, in denen wir uns nicht einig sind.