In meinem letzten Blog habe ich erörtert, dass das Wort „Errettung“ im Römerbrief nicht die Errettung aus der Hölle bedeutet. Stattdessen bezieht es sich auf die Errettung von den negativen Folgen der Sünden hier und jetzt. In diesem Blog möchte ich mich mit dem Wort „Zorn“ befassen.
Mit diesem Wort verhält es sich ähnlich. Wenn Menschen den Ausdruck „der Zorn Gottes“ hören, denken sie oft sofort an die Hölle. Im Feuersee werden die Menschen auf ewig den Zorn Gottes erfahren. Im Römerbrief hat das Wort jedoch nie diese Bedeutung. Wie das Wort „Errettung“ bezieht sich der Zorn im Römerbrief auf etwas, das Menschen hier und jetzt erfahren können.
Das Wort kommt zwölfmal vor (1,18; 2,5 [2x], 8; 3,5; 4,15; 5,9; 9,22 [2x]; 12,19; 13,4, 5). Wenn wir uns die Zeit nehmen, einige dieser Stellen zu betrachten, sehen wir deutlich, dass sich der Zorn Gottes auf das bezieht, was wir in unserem gegenwärtigen Leben erleben können, wenn wir sündigen.
Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit[a] und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, (Schlachter 2000, Rom. 1,18)
Denn es wird offenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten, (Elberfelder 2006, Röm. 1,18)
Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. (Luther 1912: Röm 1,18)
Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Leben und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten. (Lutherbibel 2017, Röm. 1,18)
Es offenbart sich nämlich Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, (Schlachter 1951, Röm. 1,18)
Das erste Mal, dass das Wort vorkommt, ist entscheidend. In Römer 1,18 sagt Paulus, dass sich der Zorn Gottes vom Himmel her offenbart. Haben Sie bemerkt, dass das Verb „offenbart sich“ (Schlachter 1951)1 von der Gegenwart spricht? Paulus spricht nicht von etwas, das in der Zukunft offenbart wird, wenn die Menschen in die Hölle geschickt werden. Im weiteren Verlauf von Kapitel 1 spricht Paulus über die Sünde von Männern und Frauen, die die Wahrheit über Gott unterdrücken.
Wie wird der Zorn Gottes offenbart? Gottes Zorn über die Sünde zeigt sich darin, dass Gott sie ihren Begierden, Leidenschaften und verdorbenen Gedanken überlässt (V. 24, 26, 28).
24 Darum hat sie Gott auch dahingegeben in die Begierden ihrer Herzen, zur Unreinheit, sodass sie ihre eigenen Leiber untereinander entehren, … 26 Darum hat sie Gott auch dahingegeben in entehrende Leidenschaften; denn ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; … 28 Und gleichwie sie Gott nicht der Anerkennung würdigten, hat Gott auch sie dahingegeben in unwürdige Gesinnung, zu verüben, was sich nicht geziemt, (Römer 1,24.26.28)
Die Menschen entscheiden sich für die Finsternis, und Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart, indem Gott sie der Finsternis überlässt, die sie gewählt haben. Paulus beschreibt dann im weiteren Verlauf von Kapitel 1 die Handlungen, die sich daraus ergeben, und die zerstörerische Natur dieser Handlungen.
Das Gesetz bewirkt nämlich Zorn; denn wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung. (Römer 4,15)
In Römer 4,15 zeigt Paulus erneut, dass der Zorn Gottes etwas ist, das Menschen in diesem Leben erfahren. Wenn sie gegen das Gesetz Gottes verstoßen, erfahren sie den Zorn Gottes. Das unterstützt natürlich das, was Paulus in Kapitel 1 sagt.
Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]; denn es steht geschrieben: “Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr”. (Römer 12,19)
In Römer 12,19 sehen wir erneut, dass der Zorn Gottes etwas ist, das in der Gegenwart stattfindet. Paulus sagt, dass wir, wenn uns jemand Unrecht tut, nicht versuchen sollten, uns zu rächen. Stattdessen sollten wir es Gott überlassen, mit der Situation fertig zu werden. Da Gottes Zorn auf die Sünde der Menschen gerichtet ist, sollten wir, wenn Menschen gegen uns sündigen, Seinen Zorn mit der Situation umgehen lassen.
4 Denn sie ist Gottes Dienerin, zu deinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut. 5 Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um des Zorngerichts, sondern auch um des Gewissens willen. (Römer 13,4-5)
Die letzten beiden Male, in denen das Wort „Zorn“ im Römerbrief vorkommt, sind in 13,4 und 5. Wie die anderen Stellen zeigen auch diese beiden Verse, dass der Zorn Gottes eine gegenwärtige Erfahrung ist. Hier wird uns jedoch gesagt, dass die Regierung ein Instrument ist, durch das Gott seinen Zorn zeigt. Wenn staatliche Behörden Gesetzesbrecher bestrafen, handeln sie in der Rolle Gottes. Gott bestraft die Sünde, und manchmal benutzt er die Regierung, um dies zu tun. Die Regierung schickt die Menschen sicher nicht in den Feuersee!
Die Quintessenz aus all dem ist einfach. Sündige Haltungen und Handlungen bringen den Zorn Gottes in unser Leben. Selbst wenn Menschen erkennen, dass sich das Wort „Zorn“ im Römerbrief nicht auf die Hölle bezieht, begehen sie oft einen weiteren Fehler. Sie schließen daraus, dass Christen niemals Gottes Zorn erfahren können, weil sie Seine Kinder sind. Aber das ist nicht der Fall. Wenn Gläubige die Wahrheit unterdrücken und ein unmoralisches Leben führen, werden auch sie Gottes Zorn zu spüren bekommen. Als Christen sind wir nicht immun gegen die Folgen unseres Handelns. Wenn wir zum Beispiel gegen das Gesetz verstoßen, kann Gott sehr wohl die Macht der Regierung nutzen, um uns zu bestrafen.
Wenn wir den Zorn Gottes in unserem Leben vermeiden wollen, gibt uns Paulus die Antwort. Wenn wir in der Kraft des [Heiligen] Geistes wandeln (Römerbrief, Kapitel 5 bis 8), werden wir Leben und Segen erfahren. Dies wird eine Erfahrung des Lebens in der Kraft des auferstandenen Herrn sein. Er wird uns von dem „Zorn“, den die Sünde mit sich bringt, „erretten“, wenn wir dies tun. Aber im Römerbrief ist nicht von der Hölle die Rede.
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1 Andere Übersetzungen wie Schlachter 2000, Elberfelder 2006 oder Lutherbibel 1912 oder 2017 verwenden die Passivkonstruktion „offenbart werden“. Diese kann für die Gegenwart und für die Zukunft verwendet werden. Gemäß der Vorlage im Englischen (New King James Version) und der interlinearen Darstellung Griechisch/Englisch von biblehub.com („is revealed“ = „offenbart sich“, „wird offenbart“ als Gegenwart), handelt sich hier jedoch um die Gegenwart, wie das auch die ältere Schlachterübersetzung 1951 klar macht („sich offenbaren“).