Die meisten Kommentatoren sagen, sie sind in der Hölle
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament heißt es, dass Gott Esau hasste, noch bevor er geboren wurde. Dies wird von den Auslegern in der Regel so verstanden, dass Esau nicht zum ewigen Leben auserwählt war, sondern dass er ein Verworfener war, der jetzt in der Hölle ist.
Zu der Formulierung im Römerbrief 9,13: „Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst“ (Gottes Hass ist hier übrigens eine Redewendung. Sowohl Liebe als auch Hass beziehen sich hier auf Gottes Entscheidung. Diese Redewendung wird manchmal als Semitismus bezeichnet.). John Murray sagt:
„Anzunehmen, dass das letzte Wort der Abgrenzung in diesem Abschnitt nicht dazu dient, den Unterschied zwischen der Erlösung und einem Verfehlen dieser (Erlösung) zu verdeutlichen, hieße, etwas anzunehmen, was dieses Wort für die These des Apostels irrelevant machen würde. Wir sind daher gezwungen, in diesem Wort eine Erklärung des souveränen Ratschlusses Gottes zu finden, der das endgültige Schicksal der Menschen betrifft“
„Römer“, Bd. 2, S. 24, Kursivschrift hinzugefügt
Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament wird Kain als Mörder dargestellt und als einer, der „aus dem Bösen war“. Kommentatoren verstehen dies normalerweise so, dass Kain nicht wiedergeboren war und dass auch er ein Beispiel dafür ist, wie die hasserfüllte Welt die Gläubigen behandelt.
Zu der Aussage in 1. Johannes 3,11-12 schreibt I. Howard Marshall:
„Johannes hat [mit dem Hinweis auf Kain] eindeutig nicht nur Menschen außerhalb der Kirche im Sinn, die Christen verfolgen mögen, sondern auch Menschen innerhalb der Kirche, deren Mangel an Liebe zeigt, dass sie nicht wirklich gläubig sind“
The Epistles of John [Die Briefe von Johannes], S. 190,
kursiv hinzugefügt
In ähnlicher Weise stellte Westcott fest:
„Die Liebe unter den Christen ist das Zeichen eines neuen Lebens“
The Epistles of John [Die Briefe von Johannes], S. 111)
Und folglich ist der Hass unter Christen das Zeichen für das Fehlen von Leben.
Die Beweislage für ihren „nicht wiedergeboren“ Status ist schwach
In Römer 9 wird nicht gesagt, dass Jakob zum ewigen Leben auserwählt wurde. Aus dem Alten Testament wissen wir, dass Jakob dazu auserwählt war, in der Linie des Messias zu stehen. Esau wurde nicht dazu auserwählt, in der Linie des Messias zu sein.
Aus dieser Auswahl wissen wir nicht, ob einer oder beide Männer wiedergeboren waren. Rein hypothetisch könnte Jakob, der Auserwählte, nicht wiedergeboren und Esau, der nicht Auserwählte, wiedergeboren gewesen sein.
Abgesehen von der Tatsache, dass Esau fleischlich gesinnt war (z. B. verkaufte er sein Erstgeburtsrecht für eine Mahlzeit und wählte fremde Frauen als seine Ehefrauen), gibt es weder im Alten noch im Neuen Testament einen Hinweis darauf, dass Esau nicht wiedergeboren war.
Hätten Isaak und Rebekka nicht beide ihre Söhne evangelisiert? Wenn Jakob an den kommenden Messias wegen des ewigen Lebens glaubte, wäre es dann nicht wahrscheinlich, dass sein Bruder Esau das auch getan hätte?
Das Gleiche gilt für Kain. Sicherlich hätten Adam und Eva, die im Garten mit dem vor-inkarnierten Jesus zusammentrafen (Gen 3,8; vgl. Joh 1,18), sowohl Kain als auch Abel evangelisiert. Wenn Abel gläubig war, wäre es dann nicht wahrscheinlich, dass sein Bruder Kain es auch war?
Die Art und Weise, wie Kain in 1. Johannes 3 beschrieben wird, deutet in der Tat darauf hin, dass er ein Gläubiger und kein Ungläubiger ist. Die gläubigen Leser werden gewarnt, nicht wie Kain zu sein. Wenn Kain von Johannes und seinen Lesern als ein nicht wiedergeborener Mann angesehen würde, wäre dies eine seltsame Warnung, da Johannes darauf hinweist, dass die Leser nicht nur wiedergeboren, sondern auch stark im Glauben sind (2,12-14.20.27). Würde die Warnung nicht mehr Sinn machen, wenn ein Glaubensgenosse derjenige wäre, der gefallen ist?
Da viele Ausleger davon überzeugt sind, dass Johannes Kain als Beispiel eines Ungläubigen darstellte, gehen sie natürlich auch davon aus, dass zu den Lesern des Johannes auch Ungläubige gehören. Lesen Sie die oben zitierten Kommentare von Marshall und Westcott.
Der Ausdruck „Kain … war von dem Bösen“ bedeutet nicht, dass er nicht wiedergeboren war. Er bedeutet, dass seine Handlungen dämonisch waren. Natürlich war auch Petrus von dem Bösen, als er meinte, Jesus würde niemals ans Kreuz gehen. Jesus sagte zu Petrus, einem wiedergeborenen Menschen: „Geh hinter mich, Satan!“ (Mt 16,23). In den Johannesepisteln bedeutet „von Gott sein“, sich gottgefällig zu verhalten, und „vom Teufel sein“, sich teuflisch zu verhalten. Es geht um das Verhalten, nicht um die geistliche Abstammung.
Wir haben zwar keine absoluten Beweise, aber die Belege sprechen [eher] dafür, dass sowohl Kain als auch Esau wiedergeboren sind
Als Jakob nach zwei Jahrzehnten Abwesenheit zurückkehrt, umarmt Esau ihn und nimmt ihn liebevoll auf. Esau scheint zu verstehen und zu akzeptieren, was geschehen ist. Er erweckt den Anschein, dass er an die Unterweisung seines Vaters Isaak glaubt.
Als Gott (Jesus vor der Inkarnation) Kain sagt, dass er zur Strafe für den Mord an Abel „unstet und flüchtig“ sein wird, fleht Kain Ihn an. Das klingt wirklich wie eine Interaktion eines Gläubigen mit seinem Herrn. Daraufhin schenkt der Herr Kain seine Gnade und gibt ihm ein Zeichen, damit ihn niemand töten würde.
Abel und Jakob stehen für Überwinder, nicht für bloße Gläubige
Wenn man Kain und Esau nicht als Beispiele für untreue Gläubige ansieht, übersehen die Menschen, was Abel und Jakob darstellen. Sie stehen nicht für alle Gläubigen. Sie stehen für eine besondere Gruppe von Gläubigen, für diejenigen, die in diesem Leben ausharren und überwinden.
Wir sollten wie Abel und Jakob sein und ein vorbildliches Leben führen, ein Leben, das unserem Herrn Ehre bereitet. Wenn uns das nicht gelingt, beweist das nicht, dass wir nicht wiedergeboren sind. Es beweist, dass wir noch nicht bereit sind, mit Jesus in seinem kommenden Reich zu regieren.
Die Gnade erstreckt sich auch auf fleischliche Gläubige
Ich möchte Ihnen eine Liste von Menschen in der Bibel geben, die gemeinhin als nicht wiedergeboren gelten und von denen ich glaube, dass sie höchstwahrscheinlich wiedergeboren waren: König Nebukadnezar, König Saul, der Prophet Bileam, König Agrippa, Simon Magus (Apostelgeschichte 8), alle zwölf Söhne Jakobs, Nadab und Abihu (Levitikus 10), Ananias und Sapphira (Apostelgeschichte 5), Hymenäus und Alexander (1 Tim 1,20). Die Tatsache, dass jemand fleischlich gesinnt war oder es versäumt hat, durchzuhalten, beweist keineswegs, dass er nicht wiedergeboren war. In einigen der oben genannten Fälle wird uns ausdrücklich gesagt, dass sie geglaubt haben. In anderen Fällen, [wo uns nichts unmittelbar über ihren Glauben gesagt wird], sind die Belege [die verschiedenen Argumente, dass wir hier eher mit wiedergeborenen Überwindern und mit fleischlichen Wiedergeborenen zu tun haben, als mit Gläubigen versus Ungläubigen,] unwiderstehlich, wenn unsere Theologie fleischlich gesinnte Gläubige zulässt.
Seien Sie sich darüber im Klaren. Wenn Sie überzeugt sind, dass alle wahren Gläubigen ein vorbildliches Leben führen und nicht fallen, dann wissen Sie nicht, ob Sie ein wahrer Gläubiger sind oder nicht. Und Sie werden es nicht wissen bis Sie sterben. Vor dem Tod ist es immer möglich, dass Sie irgendwann in naher oder ferner Zukunft fallen werden.
Ich weiß noch, was für ein Paradigmenwechsel es für mich war, als ich Esau und Kain und andere wie sie als höchstwahrscheinlich gläubig ansah. Ich glaube, das geschah, als ich um 1981 die Vorträge zu den drei Briefen des Johannes bei Zane Hodges besuchte. Obwohl ich vor dem Kurs nicht daran glaubte, ergab der Gedanke, dass Kain ein Gläubiger war, so viel Sinn für mich, nachdem ich davon gehört und dies durchdacht hatte. Zane hatte eine andere Art, die Heilige Schrift zu betrachten, und das begeisterte mich. Ich hatte keinen Namen für seine Sichtweise, denn sie war weder Calvinismus noch Arminianismus.
Heute erwäge ich diese Art, Menschen wie Esau und Kain zu betrachten, als biblisch. Gläubige sind diejenigen, die zum Glauben an Jesus (oder den kommenden Messias für die Menschen des Alten Testaments) gekommen sind, um ewiges Leben zu erlangen. Das ist es. Gläubige sind nicht immer treu, freundlich und liebevoll. Gläubige tun manchmal schreckliche Dinge, wie David, der Ehebruch beging und Uria töten ließ, oder Kain, der auf seinen Bruder eifersüchtig war und ihn ermordete.
Es würde mich wundern, wenn Kain und Esau jetzt nicht im Himmel wären. Ich erwarte, dass wir sie im Reich Gottes treffen werden.
Ich bin froh, dass in Jesu Reich auch Platz für Menschen ist, die nicht so perfekt sind. Denn genau das bin ich auch nicht.