Eines der interessantesten Dinge beim Studium des Römerbriefs ist, wie Paulus das Wort „Gerechtigkeit“ verwendet. Es wird über 35 Mal in diesem Buch verwendet. Und dabei handelt es sich nur um das Substantiv, nicht um das Verb. Manchmal wird das Wort mit „Gerechtigkeit “ übersetzt, ein anderes Mal mit „Rechtfertigung“. Am bekanntesten ist die Verwendung des Wortes, um zu beschreiben, was derjenige erhält, der an Jesus Christus glaubt und [damit] das ewige Leben erlangt. Wir werden von Gott durch den Glauben für gerecht erklärt (oder wir könnten sagen, wir sind gerechtfertigt) (Röm 3,21-22; 4,3).
Viele sind sich jedoch nicht bewusst, dass Paulus noch eine Reihe anderer Wörter verwendet, die auf dieselbe Weise übersetzt werden. Ich möchte mir eines davon ansehen. Das Wort ist ein seltenes Wort. Es kommt nur zweimal im Neuen Testament vor. Beide Male steht es im Römerbrief. Genauer gesagt findet es sich in Röm. 4,25 und 5,18.
In Röm. 4,25 sagen sowohl die Schlachter 2000-Übersetzung als auch die Elberfelder-Bibel (2006), dass Jesus zu unserer „Rechtfertigung“ auferweckt wurde. In 5,18 sagt Schlachter:
Also: Wie nun durch die Übertretung des einen die Verurteilung für alle Menschen kam, so kommt auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung, die Leben gibt.
Wie es nun durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis ⟨kam⟩, so auch durch eine Rechtstat für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens.
Elberfelder 2006
Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.
Lutherbibel 2017
Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so is
In diesem Vers wird dieses seltene Wort in Schlachter wieder mit dem Wort „Rechtfertigung“ übersetzt. Elberfelder 2006, die Lutherbibel 2017 und 1912 tun dies ebenfalls.
Dies wirft einige Fragen auf. Warum hat Paulus ein anderes Wort verwendet, wenn er dasselbe meint (Gerechtigkeit/Rechtfertigung)? Sollten wir annehmen, dass dieses seltene Wort eine andere Bedeutung hat? Wenn ja, was bedeutet das Wort?
In Römer 4,25 sehen wir am deutlichsten, dass Paulus mit Verwendung dieses anderen Wortes etwas anderes gemeint hat. Paulus sagt, dass Jesus um „unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (wie es Elberfelder wiedergibt). Die meisten Evangelikalen denken, dass Paulus damit sagen will, dass Jesus zu unserer Gerechtigkeit oder Rechtfertigung auferstanden ist, und zwar in dem Sinne, dass seine Auferstehung bewiesen hat, dass sein Tod für alle unsere Sünden bezahlt hat.
Eine solche Auslegung bedeutet, dass das seltene Wort, das hier verwendet wird, dasselbe bedeutet wie das übliche Wort des Paulus für Gerechtigkeit/ Rechtfertigung. Seit wir an Jesus glauben, um das ewige Leben zu erlangen, werden wir für „gerecht“ erklärt, und die Auferstehung Christi beweist, dass wir für „gerecht“ erklärt wurden (oder, dass wir gerechtfertigt wurden).
Aber darf ich eine andere Sichtweise auf dieses seltene Wort vorschlagen? Paulus verwendet ein anderes Wort, weil er etwas anderes meint. Als Christus von den Toten auferstand, zeigte das, dass er lebte. Weil er lebendig ist und der Heilige Geist in uns lebt, können wir gerecht leben. Christus wurde für unser „gerechtes Leben“ auferweckt.
Das passt perfekt in den Kontext von Römer 5. In Römer 5 bis 8 geht es um den Wandel im Geist und darum, wie man [als Gerettete, als Besitzer des ewigen Lebens] gerecht lebt. Da Christus nicht im Grab ist, werden wir nicht nur für gerecht erklärt, sondern wir können auch so leben. Paulus’ normales Wort für „Gerechtigkeit“ [Rechtfertigung vor Gott] ist das Ergebnis des Todes Christi. Das seltene Wort, das er in Römer 4,25 für „Rechtfertigung / Gerechtigkeit“ verwendet, ist das Ergebnis seines Lebens. Wenn Paulus ein Wort dafür benutzt, wie ein Christ leben soll, benutzt er ein anderes Wort.
Das andere Mal, wenn Paulus dieses seltene Wort verwendet, macht dies deutlich: In Römer 5,18 sagt Paulus, dass der Gehorsam Christi gegenüber dem Vater (durch seinen Tod am Kreuz) zur „Rechtfertigung des Lebens“ führt. Der Tod Christi hat dies möglich gemacht. Wenn der Gläubige durch den Geist lebt, erfährt er das Leben. Er genießt, wächst und erntet das Leben, das Christus ihm gegeben hat, das Leben Gottes selbst. Er lebt in Gerechtigkeit.
Wenn wir uns den Römerbrief ansehen und die griechischen Worte für Gerechtigkeit/ Rechtfertigung sehen, müssen wir verstehen, dass Paulus uns zwei verschiedene Dinge sagt und daher zwei verschiedene Worte verwendet. Wenn wir aufgrund des Todes Christi an Jesus Christus glauben und das ewige Leben erlangen, werden wir für gerecht erklärt (erfahren Rechtfertigung). Da er aber auch von den Toten auferstanden ist, geben uns sein Tod und seine Auferstehung die Möglichkeit, rechtschaffen zu leben oder täglich eine Rechtfertigung zu erfahren, die durch das Leben Gottes, das wir besitzen, hervorgebracht wird.