Frage: Lehrt Matthäus 7,15-20 nicht, dass alle Gläubigen unweigerlich gute Früchte in ihrem Leben haben werden? Belegen gute Werke im Leben eines Menschen, dass er gerettet ist?
Bob Wilkin (BW): Die Aussage „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ findet sich zweimal in Mt 7,15-20, am Anfang des Abschnitts in Vers 16 und am Ende in Vers 20. In Vers 15 und im ersten Teil von Vers 16 heißt es: „Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind! An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. …“
Zane Hodges (ZH): Wenn wir uns diesem Abschnitt nähern, ist es wichtig, die beiden vorangehenden Verse zu beachten (V. 13-14). Jesus sagt:
Diese Verse sind die ersten Verse vom Ende der Bergpredigt. Unmittelbar davor fasst unser Herr den Hauptteil der Predigt zusammen: „Alles nun, was ihr wollt, dass die Leute euch tun sollen, das tut auch ihr ihnen ebenso; denn dies ist das Gesetz und die Propheten.“ (Mt 7,12). Zum Schluss sagt Er: „Achtet darauf, dass ihr an der richtigen Stelle beginnt. Passt auf, dass ihr durch das Tor geht, das zum Leben führt, und nicht durch das Tor, das ins Verderben führt.“ Im Hinblick auf das größere Publikum, sowohl das allgemeine Publikum als auch die Jünger, möchte Er also, dass sie sicher sind, dass ihr Ausgangspunkt der richtige ist.
Dies führt unmittelbar zu Mt 7,15-20, wo es um die Frage der falschen Propheten geht. Eines der Probleme, die Menschen bei der Suche nach dem richtigen Tor haben, ist, dass es Menschen gibt, die andere zum falschen Tor führen. Es gibt Menschen, die sich zu prophetischen Fähigkeiten bekennen oder behaupten, von Gott gesandt zu sein, aber die [dann] andere Menschen in die Irre führen. Damit Seine Jünger solche falschen Propheten vermeiden, erklärt Christus, wie man sie erkennen kann: Man erkennt sie an ihren Früchten.
Zuallererst sollten wir also feststellen, dass Jesus nicht über bekennende Christen spricht. Es geht Ihm nicht um die Frage, ob wir gerettet sind oder nicht. Er spricht darüber, wie wir einen falschen Propheten erkennen können. Ich habe oft gesagt, dass ich, wenn ich auf der Erde eine Wette abschließen und im Himmel kassieren könnte, eine Wette abschließen würde, dass sich dieser Abschnitt überhaupt nicht auf Werke bezieht und dass die Früchte nicht die Werke der falschen Propheten sind. Oberflächlich betrachtet ist das fast offensichtlich, denn die falschen Propheten sehen wie Schafe aus („Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen“), aber innerlich „sind sie reißende Wölfe“. Man kann falsche Propheten nicht an ihrem Verhalten erkennen.
Woran erkennt man einen falschen Propheten wirklich? Es ist die Botschaft, die er bringt. Ein falscher Prophet wird nicht durch seine Werke, sondern durch seine Worte entlarvt. Dass dies die richtige Auslegung der Warnung unseres Herrn ist, wird in Mt. 12,33-37 bestätigt. In diesem Abschnitt verwendet Jesus erneut das Bild eines Baumes, den man an seinen Früchten erkennt, und sagt, dass die Menschen am Tag des Gerichts an ihren Worten gemessen werden. Er sagt, dass die Frucht das Produkt des inneren Lebens ist. Die Früchte sind die Worte, die produziert werden. Das passt ganz zu der Vorstellung von falschen Propheten.
Der einzige Weg, wie wir feststellen können, ob Propheten innerlich gut oder verdorben sind, ist die Botschaft, die sie bringen. Wenn sie eine Botschaft bringen, die im Gegensatz zu dem steht, was Jesus gelehrt hat, sind sie falsche Propheten.
BW: Es gibt noch eine weitere rätselhafte Stelle in diesem Absatz. Jesus fragt weiter: „Sammelt man Trauben von Dornensträuchern oder Feigen von Disteln?“ Dann sagte Er: „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, aber ein schlechter Baum bringt schlechte Früchte hervor. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte tragen, und ein schlechter Baum kann keine guten Früchte tragen.“ Viele Menschen verstehen diesen Hinweis so, dass Gläubige gute Bäume sind und deshalb nur gute Früchte bringen können. Logischerweise würde das eine sündlose Vollkommenheit bedeuten, denn wenn eine Person gläubig ist, dann ist sie ein guter Baum, und ein guter Baum kann nur gute Früchte bringen. Wenn sie schlechte Früchte bringen, woher kommen diese dann?
Gleichermaßen denken viele, dass Jesus sagt, dass Ungläubige schlechte Bäume sind. Deshalb können Ungläubige nur schlechte Früchte hervorbringen. Das würde aber bedeuten, dass das Bild Gottes in den Ungläubigen nicht nur verdorben ist, sondern dass es in ihnen völlig ausgestorben sein muss, weil die Ungläubigen (nach dieser Auffassung) überhaupt nichts Gutes tun.
ZH: Die Art und Weise, wie du das ausgedrückt hast, zeigt nur den Treibsand, in den die falsche Auslegung an dieser Stelle schnell abgleitet. Wenn wir uns vor Augen halten, dass Christus von falschen Propheten und nicht von wahren Propheten spricht, haben wir keines der Probleme, die du formuliert hast.
Ein Mensch, der sich als Prophet ausgibt, ist entweder ein fauler Baum oder ein guter Baum. Er ist entweder ein falscher Prophet oder ein wahrer Prophet.
Wenn er ein fauler Baum ist, ist er ein falscher Prophet, und deshalb wird er keine gute Botschaft verkünden. Es gibt keine Möglichkeit, dass er sie hervorbringen kann, denn ein fauler Baum bringt nur faule Früchte hervor.
Aber wenn er ein wahrer Prophet Gottes ist, dann wird er die wahre Botschaft verkünden. Dies ist eine der Prüfungen der Prophetie, die sich durch die gesamte prophetische Geschichte der Bibel zieht. Gute Propheten und falsche Propheten werden durch die Botschaft, die sie bringen, geprüft. Der gute Prophet bringt keine falsche Botschaft und der falsche Prophet bringt keine gute Botschaft.
BW: Aber dieser Abschnitt sagt nicht, dass gute christliche Lehrer unfehlbar die Bibel lehren. Hier geht es speziell um die prophetische Gabe, nicht wahr?
ZH: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Manche Menschen setzen heute Propheten mit Lehrern gleich, ohne dass die Heilige Schrift sie dazu ermächtigt. Wo immer wir in der Heiligen Schrift auf echte Prophetie stoßen, lesen wir von Menschen, die eine direkte Offenbarung von Gott erhalten haben. Eine Person, die behauptet, ein Prophet zu sein, behauptet tatsächlich, eine direkte Offenbarung von Gott zu erhalten.
Dies bezieht sich nicht auf christliche Lehrer, denn ihre Lehre kann durch falsche Auslegungen der Schrift fehlerhaft sein. In diesem Abschnitt geht es um die alten Propheten, die entweder eine Botschaft verkündeten, die ihnen von Gott offenbart worden war, und das war immer eine wahre Botschaft, oder sie verkündeten eine Botschaft, die Gott ihnen nicht gegeben hatte, und das war immer eine falsche Botschaft.
BW: Schließlich sagt Jesus in Vers 19: „Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“ Viele Menschen denken, dass sich dies auf die Hölle bezieht. Stimmt das?
ZH: Das bedeutet, dass Gott den falschen Propheten richten wird. Wir reagieren oft reflexartig auf die Symbolik des Feuers in der Heiligen Schrift und denken, dass es sich immer auf die Hölle bezieht. Aber meistens bezieht es sich auf das Gericht. Ganz allgemein würden wir sagen, dass das Feuer von Gottes Gericht auf diese Menschen wartet. Wenn ein Mann, der behauptet, ein Prophet Gottes zu sein, unerrettet ist, wird er natürlich letztendlich im Feuer der Hölle landen. Die folgenden Verse, Mt 7,21-23, sagen etwas darüber aus.